NERDfacts Folge 1/2024: Hängesyndrom!

Hängesyndrom – Suspension Syndrome

Hängesyndrom oder „Suspension Syndrome“ ist ein Krankheitsbild, welches vor allem Sport- und Industriekletterer betrifft. Nicht zu verwechseln mit dem Trauma beim Erhängen, das ist ein ganz anderes Thema. Die Pathophysiologie hinter dem Suspension Syndrome ist noch nicht abschließend geklärt, aber wie ihr damit als Rettungsteam umgehen könnt, haben wir euch aus einem aktuellen Review-Paper zusammengefasst.

Das pdf zu dieser Folge findet Ihr hier:

Fact 1 – DEFINITION UND PATHOPHYSIOLOGIE!

Der Begriff Hängetrauma ist irreführend, da nicht unbedingt ein relevantes Trauma aufgetreten sein muss. Auch andere Pathologien sind nicht ursächlich (z.B. Hypoglykämie etc.), können das Syndrome aber die Entstehung beschleunigen. Allein das lange im Seil hängen kann zu einem Kreislaufstillstand führen. Daher ist der Begriff „Suspension Syndrome“ oder Hängesyndrom besser geeignet. Je nach Kletterausrüstung kommt es zu unterschiedlichen Positionen, in denen ein abgestürzter Kletterer verharren muss. Ein venöses Pooling in Kombination mit einem neurokardiogenen / vasovagalen Reflex mit plötzlichem Verlust der zerebralen Perfusion scheinen die Ursache zu sein. Die verminderte kardiale Vorlast führt zu einem geringeren Herzzeitvolumen. Über einen vasovagalen Reflex kann es zusätzlich zu einer Bradykardie kommen, welches das Minutenvolumen noch weiter senkt, sodass es zu einer generellen Hypoperfusion und letztlich zur Bewusstlosigkeit und Herz-Kreislaufstillstand kommt.

Fact 2 – SYMPTOME!

Die Symptome können sehr individuell – je nach körperlicher Verfassung – sein. Typisch sind:

  • Blässe
  • Schwitzen
  • Luftnot
  • Schwindel
  • Übelkeit
  • Sehstörungen
  • Blutdruckschwankungen
  • Brady- oder Tachykardien
  • bis hin zum Herz-Kreislaufstillstand.

Fact 3 – VERHALTEN BEI FREIEM HÄNGEN IM SEIL!

Gelangt man selbst in eine solche Situation, hilft es, sich in einer Seilschlinge mit den Füßen abzustützen. Die Aktivierung der Muskelpumpe kann ebenfalls helfen. Evtl. müssen die Beine durch andere Person angehoben werden, wenn die Person z.B. bewusstlos ist.

Fact 4 – THERAPIE!

Das Wichtigste ist das rasche Abseilen. Nach der Rettung wird nach ABCDE-Standard verfahren. Wichtig ist die Suche nach Begleitverletzungen, auch wenn diese nicht zwangsläufig ursächlich für das Suspension Syndrome sein müssen. Der Patient wird flach gelagert und erhält Volumen. Bei Herz-Kreislaufstillstand: Reanimation nach ALS-Standard.

Fact 5 – KOMPLIKATIONEN!

Ein Risiko für eine Rhabdomyolyse besteht nach ca. 2 Stunden in hängender Position. Hier sollte also im Krankenhaus ein Augenmerk draufgelegt werden. Hyperkaliämien und Nierenversagen sind weitere Komplikationen. Die Hyperkaliämie kann bereits kurz nach der Rettung auftreten (vermutlich durch Rückfluss des Blutes aus den Beinen mit hohem Kaliumanteil). Bei CPR ist v.a. an Hyperkaliämie und Lungenembolie als reversible Ursache zu denken.


Quellen und weiterführende Infos:

Rauch et al. Scand J Trauma Resusc Emerg Med (2023) 31:95 https://doi.org/10.1186/s13049-023-01164-z (open access!)

DGUV Information 204-011 „Erste Hilfe. Notfallsituation Hängetrauma“ Strategie beim Hängetrauma – Rettungsdienst – Georg Thieme Verlag

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Autor: Tim Eschbach

Ich bin leidenschaftlicher Notfallmediziner und Notarzt. Ich engagiere mich für die Fort- und Weiterbildung im Bereich der inner- und präklinischen Notfallmedizin, insbesondere im Bereich SOPs, CRM und Fehlerkultur.

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