Reanimation: Advanced Life Support (nach ERC 2021)

Update 2023: Kompakte Informationen zur Reanimation, Checklisten, Tipps, ständig aktualisierte Quellen und vieles mehr gibt es jetzt kostenlos auf notfallguru.de!

Kreislaufstillstand – einer der dramatischsten Notfälle, gleichzeitig einer mit den umfangreichsten Vorgaben durch Leitlinien und Empfehlungen.

Im Rahmen einiger Videos möchten wir wichtige Aspekte und kleine Kniffe abdecken, aber nicht alle Details und vor allem Aspekte des Basic Life Support – von derartigen Kenntnissen gehen wir aus. Wer hier noch Unterstützung braucht, dem sei dringlich ein Advanced Life Support Kurs empfohlen.

Die wichtigsten Änderungen der neuen Reanimations-Leitlinien 2021 haben wir hier zusammengefasst.

Reanimation nach ERC 2021
Reanimation: Reversible Ursachen
Reanimation: Team

Reanimation beginnen – Basics:

  1. Reanimation ist immer Teamaufgabe! Plan immer klar kommunizieren, Zyklus mitzählen (ebenso Medikation, Anzahl der Defibrillationen)
  2. Wenn unsicher: Reanimation beginnen! Keine lange Zeit mit Pulstasten verschwenden!
  3. Basics first: Thoraxkompression (100/min), Defibrillation, (Masken-) Beatmung.
  4. Bei Peri-Arrest („gleich bleibt der Pat. stehen“) Alles für Reanimation vorbereiten! Defi-Patches kleben, Hochdosis-Sauerstoff via Maske, Beatmungsbeutel vorbereiten, iv.-Zugang legen / sichern.

Alles beginnt mit einem Check:

Beim ersten Rhythmuscheck (sobald die Defi-Patches angebracht sind) entscheidet sich der Algorithmus zwischen „defibrillierbar“ und „nicht defibrillierbar“.

Defibrillierbarer Rhythmus => Strom!

  • Defibrillation mit max. Joule, dann 2 Minuten Thoraxkompression/Beatmung 30:2 (= 1 Zyklus)
  • Zugang (iv. oder io. falls iv. nicht möglich)
  • Nach dem dritten (!) Schock: Adrenalin & Amiodaron  (mit 10ml NaCl nachspülen, Infusion laufen lassen)
    • Adrenalin 1mg iv. (danach alle 4 Minuten = alle 2 Zyklen)
    • Amiodaron 300mg iv. (alternativ Lidocain 100mg)
  • nach 5. Schock nochmal Amiodaron 150mg iv. (alternativ Lidocain 50mg)

Nicht defibrillierbarer Rhytmus => Adrenalin!

  • Adrenalin sobald iv.-Zugang (oder io.) etabliert
    • Adrenalin 1mg iv. (danach alle 4 Minuten = alle 2 Zyklen)

Nicht mehr als 450mg Amiodaron (bzw. 150mg Lidocain) insgesamt geben. 

Atemwegssicherung, Beatmung

  1. Masken-Beutel-Beatmung (30x Herzdruckmassage : 2 Beatmungen)
  2. Rascher Wechsel auf supraglottischen Atemweg (Larynxmaske / Larynxtubus), dann
    durchgehende Thoraxkompression und 10 Beatmungen pro Minute (alle 6 Sekunden) und von Beatmungsbeutel auf Beatmungsgerät wechseln
    • Einstellungen: Volumenkontrollierte Beatmung (VCV), Tidalvolumen 6ml/kg, Atemwegsdruck maximal (Pmax hoch), FiO2 100%
  3. Intubation nur, wenn genug (erfahrenes) Personal vor Ort, wenn Maske-Beutel oder SGA nicht funktioniert oder spätestens bei Wiedererlangen von Kreislauf (ROSC).
    Aktuelle Diskussion: Ev. besseres Outcome bei trachealer Intubation – va. bei gleichzeitiger Nutzung von mechanischen Reanimationsdevices.
    Bei mechanischen Devices und SGA eher 30:2 wählen.

Beatmungsmodi

Wenn mechanische Beatmung gewählt:

  • Maschine kennen (reanimationstauglicher Modus, meist volumenkontrollierte Beatmung mit hohen Spitzendrücken)
  • Alarme kennen und beachten!

Wenn manuelle Beatmung gewählt:

  • Aktiv (z.B. als Teamleader) auf adäquate Beatmungsfrequenz und Tidalvolumen achten

Immer: Kapnografie! (mit Maske+Beatmungsbeutel, bei SGA, bei endotrachealer Intubation).

Zugang

Intravenöser Zugang bei akuter Reanimationssituation schwierig. Tipp: V.jugularis externa oft gut punktierbar (Kopf auf Seite drehen, Halsvenen gestaut?). Nicht viel Zeit verlieren – wenn nach 30 Sekunden kein venöser Zugang gelingt: Intraossärer Zugang  Aktuelle Diskussion: iv.-Zugang für Outcome eher besser; falls io.: eher Humeruskopf als proximale Tibia

Grober Ablauf:

Chaosphase:

  • Reanimationssituation erkennen und beginnen
  • Fokus: Herzdruckmassage + Beatmung
  • Defi anbringen -> 1. Rhythmuscheck:

Startphase:

  • = „Advanced Life Support“
  • Algorithmus: Defibrillierbar vs. nicht defibrillierbar
  • Atemwegssicherung / Beatmung
  • Zugang (i.v. / i.o.)

Behandlungsphase:

  • Abarbeiten der reversiblen Ursachen

Die Reanimation ist eine Überbrückung – nach der Chaos- und der Startphase geht es um die Behandlung – um die reversiblen Ursachen!

Reversible Ursachen – Hs und HITs:

inkl. „ToDos“

  • Hypoxie   => Beatmung 100% O2
  • Hypovolämie 
    => Infusion 500ml
    => Stoppen von externen Blutungen!!
    => Blutung? EKs (null-negativ) + Gerinnungstherapie
  • HyperK+/Hypoglykämie
    Hyperkaliämie  => Calciumgluconat. 10% 30ml iv.
    Hypoglykämie   => Glucose 40% 20ml iv. (8g Glucose)
  • Hypothermie => Temperaturkontrolle (ggf. ECMO/HLM)
  • Herzbeuteltamponade => Entlastungspunktion (bei Trauma ggf. Notfallthorakotomie)
  • Intoxikation V.a. TCA-Intox: => NaBic 8,4% 1ml/kg iv.
  • Thrombose (LAE/STEMI)
    V.a. LAE: => Lyse (rTPA 50mg/15min iv., dann mindestens 60min CPR)
    V.a. Herzinfarkt => Evtl. unter laufender CPR: Coro/PCI
  • Spannungspneu => Entlastungspunktion, dann Drainage

Klinik

  • Frühzeitig BGA (+ Arterienanlage z.B. linke Leiste)
  • Notfallsonografie Herz / Pneu (zeitlich einschränken, <5 Sekunden!)

ALS:

  • „Das muss immer laufen“ (Chaosphase)
    • Thoraxkompressionen
    • Defibrillator
    • Beatmung (z.B. Beutel, SGA) – immer mit etCO2
  • Rasch (Startphase)
    • Zugang (Medikamente nach Rhythmus)
    • Atemwegssicherung
  • Reversible Ursachen (Hs & Ts) (Behandlungsphase)
  • Klinik:
    • BGA
    • Arterie
    • Notfallsonografie (Herz, Pneu)

Avatar von Unbekannt

Autor: Martin Fandler

I like EM, critical care, prehospital EM, medical education and #FOAMed too.

22 Kommentare zu „Reanimation: Advanced Life Support (nach ERC 2021)“

  1. Hallo,

    angenommen es liegt ein nicht-schockbarer Rhythmus vor, Adrenalin wurde verabreicht und dann stellt sich ein schockbarer Rhythmus ein: erfolgt die nächste Adrenalingabe dann dennoch nach ca. 4 Minuten oder „pausiert“ man die Adrenalingabe und führt nur Schocks durch und gibt dann erst wieder nach dem 3. erfolglosen Schock erneut Adrenalin?

    Vielen Dank im Voraus

      1. Guten Tag,

        das ist eine Frage die immer wieder auftaucht, aber in der Literatur nicht beantwortet wird.

        Im habe bereits mehrere ERC-ALS Kurse besucht und die Instruktoren waren der Meinung, dass in diesem Fall das Adrenalin weiter verabreicht wird. Also die Initialgabe sei ausschlaggebend.

        Haben Sie eine Quelle für Ihre Aussage?

        Liebe Grüße,

        Dominik

      2. Hallo Dominik,

        du hast völlig Recht – es gibt dazu auch meines Wissens keine hilfreiche Literatur (und randomisierte Studien sind in dieser Frage auch nicht zu erwarten).
        Mein Argument ist ein rein eminenzbasiertes / anekdotisches: Adrenalin (vor allem in der CPR-Dosierung von 1mg) ist extrem pro-arrhythmogen und kann – auch nach erfolgreicher Defibrillation – erneut ein Kammerflimmern oder VT auslösen. Daher wäre ich eher zurückhaltend mit Adrenalin und würde auf die kausale Therapie mit Defibrillation setzen. Meine obige Antwort ist wirklich nur mein persönlicher Vorschlag – ich lerne aber wirklich gerne dazu und bin über neue Argumente oder Literatur dankbar.

        Eine entgegengesetzte Empfehlung möchte ich aber auch nicht verheimlichen. Im ERC ALS Instruktorenmanual wird folgendes empfohlen:

        „Wenn vor dem Wechsel zur defibrillierbaren Seite des Algorithmus bereits Adrenalin verabreicht wurde, geben Sie weiterhin alle 3-5 Minuten 1mg Adrenalin.“

      3. Hallo Martin,

        erstmal vielen Dank für die prompte, ehrliche und kompetente Antwort.

        Ok, ich verstehe, da hast du natürlich recht.

        Auf der anderen Seite muss ich an die High-Dose-Noradrenalin Therapien denken, welche sehr selten VF/VT auslösen (natürlich kann auch eine/ein VES,VHF zuviel sein). Zum anderen sind maligne Herzrhythmusstörung bei einer Amiodaron-Therapie auch möglich. Vor einigen Jahren hatten wir einen Fall auf der ICU: Ein Pat. mit tachykardem VHF wurde mit Amiodaron geloadet (300mg Bolus. 900mg über 24H). Plötzlich trat ein VF auf, dass Amiodaron haben wir natürlich weiter laufen lassen. Das wiederholte sich 6 Mal ungefähr im Halbstundentakt, jeweils waren wir mit einer einmaligen Defibrillation erfolgreich. Ursache war trotz reichlich Diagnostik keine zu erkennen, weshalb wir das Amiodaron gestoppt haben und ab diesem Zeitpunkt war der Pat. rhythmologisch komplett unauffällig.

        Vielen Dank und macht weiter so.

        LG

        Dominik

      4. Hey Dominik,

        spannender Fall! Spontan fällt mir da vor allem die QTc-Verlängerung ein, die bei Amiodaron-Gabe VTs / VF auslösen könnte – aber ich bin sicher, das wäre euch aufgefallen 🙂

        Danke nochmal für die kritische Nachfrage – das hat mich wieder total motiviert in diese Fragestellung genauer reinzuschauen und auch mein Vorgehen nochmal zu hinterfragen. Ein schönes Nerd-Thema! 😉

  2. Ich habe eine Frage: bei Reanimation aufgrund von LAE muss man wirklich Actilyse über 15 min geben? Warum nicht gleich als Bolus? Was passiert wenn ich es als Bolus gebe? Bei der Rea hat glaube keiner Zeit Perfusoren aufzuziehen oder neben dem Patienten gemütlich sitzen und über 15 min zu spritzen…

    Im Voraus vielen Dank für die Antwort.

    1. Hallo Irina,
      das ist die klare Empfehlung in allen Leitlinien. Aus meiner Erfahrung ist nach der initialen Phase wo Zugang, Atemweg, Defibrillation und Medikamentegabe um Aufmerksamkeit „konkurrieren“ meistens durchaus personellen Kapazität einen Perfusor aufzuziehen.
      Als Begründung würde ich vermuten, dass die Lyse in diesen Fällen ja häufiger einen größeren (bzw. längeren) Thrombus auflösen soll – und mit einer Bolusgabe mit einer relativ geringen Halbwegszeit von rtPA da nicht genug ankommt bzw. die kurzzeitige Wirkung nicht ausreicht.
      (Im Unterschied dazu hat Tenecteplase eine längere Halbwertszeit, daher ist hier eine Bolusgabe erwähnt).
      Generell gilt aber: Die Evidenz ist relativ dünn. Hier gibt eine gute Übersichtsarbeit, die das frühere 2h-Protokoll mit dem neuen 15min-Protokoll für CPR vergleicht und auch das Thema Bolusgabe anschneidet (z.B. könnte auch mehrfache Bolusgabe eventuell sinnvoll sein). Als Fazit wird angegeben, dass die aktuelle Evidenz am ehesten für das 15min-Protokoll spricht: https://www.thrombosisresearch.com/article/S0049-3848(21)00316-9/fulltext#secst0035

  3. Mir ist das mit dem 5 x 30:2 als Richtwert nicht klar. Sobald z. B. der Larynx drinsitzt, wird doch ununterbrochen gedrückt und alle 6 Sekunden vom Partner beatmet, ohne dabei mit dem Drücken aufzuhören. Da hab ich doch kein 30:2 mehr und müsste die 2 Minuten einfach schätzen?

    1. Man sollte unbedingt die Ventilation prüfen; gerade bei nicht perfekt dicht sitzendem supraglottischen Atemweg und mechnischem Device ist oft 30:2 sinnvoller.
      Du hast natürlich recht: Wenn durchgehend gedrückt wird, sollte man die 2 Minuten hoffentlich auf einer der vielen Uhren oder mitlaufenden Timer (Defi etc.) sehen 🙂

    2. Hi Jan,
      die meisten Defis haben eine automatische Uhr, die beim Start mitläuft – damit entfällt das Schätzen (oder man schaut auf die Uhr).

      Die kontinuierliche Thoraxkompression macht auch nur Sinn, wenn die Ventilation gut funktioniert – also nur, wenn der supraglottische Atemweg wirklich gut sitzt (was leider nicht immer der Fall ist).

  4. Vielen Dank für die Zusammenfassung!

    Ich stolpere irgendwie über „alle 4 Minuten = alle 2 Zyklen“ – ist das nen Zahlendreher oder ist mein Verständnis von 1 Zyklus = 1x 30:2 falsch? Oder reanimert ihr einfach ein wenig gemütlicher als ich? 😀

      1. Ah, hatte glaub ich die Sache im Kopf dass man wenn man keine Uhr hat die 2 Minuten ungefähr abschätzen kann indem man zählt wieviele Durchgänge 30:2 man gemacht hat – und da hieß es mein ich 4 oder 5 seien etwa die 2 Minuten, daher meine Verwirrung. Passt. 😉

    1. Es gibt Hinweise (und es macht pathophysiologisch Sinn), dass die Flussraten und zentrales Anfluten der Medikation beim intraossären Zugang im Humeruskopf höher sind als bei der Tibia, daher ist das unsere (aktuelle) Schlussfolgerung.
      Einige Argument z.B. hier (https://litfl.com/intraosseous-access/) oder hier (https://www.emra.org/emresident/article/resuscitation-and-the-humeral-intraosseous-line/)
      …wobei in der aktuellen Leitlinie (nicht Reanimations-bezogen) zu intraossärer Punktion (AWMF, Stand 2017) die Tibia wegen der einfachen Erreichbarkeit und geringerer Fehlerwahrscheinlichkeit bevorzugt wird: https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/001-042l_S1_Der-intraossaere-Gefaesszugang-in-der-Notfallmedizin_2018-02.pdf

  5. Hey,
    könnt ihr zum Absatz „Nicht-defibrillierbarer Rhythmus“ etwas genaueres sagen, was ihr mit dem „springen“ meint?

    LG
    Carsten

    1. „Springen“ meint das Wechseln zwischen defibrillierbaren und nicht defibrillierbaren Rhythmen – d.h. z.B. zuerst Kammerflimmern, dann Asystolie, dann wieder Kammerflimmern.

      1. Wenn der Patient 2xVF hat, dann asystol ist und dann wieder VF. Wann würdest Amiodaron geben? Wäre ja dann der dritte Schock, oder?

  6. Die Hs und Ts kann ich mir persönlich einfach nicht merken. Ich finde auch, dass sie keine besonders gute Merkhilfe sind, da man teilweise zu sehr um die Ecke denken muss und die H und T-Liste nicht unbedingt der Systematik entspricht, in der man im akuten Notfall den Patienten beobachtet.

    Ich habe mit die reversiblen Ursachen mit dem Vegetarier-Bund gemerkt – VEBU:

    V – Vitalzeichen: Schock erkennen, ggf. prophylaktisch Volumengabe, Hypothermie erkennen, (ggf BZ)
    E – EKG: Monitor reicht. QRS breit – toxikologisches oder metabolisches Problem erwägen, QRS schmal – eher Rechtsherzproblem (PE, Tamponade, PTX etc)
    B – BGA: Elektrolytstörungen identifizieren, Hinweis auf toxikolgisches Geschehen
    U – Ultraschall: Ursache für RV-Inflow oder Outflow-Störung identifizieren.

    Es gibt ein schönes Video von Amal Mattu dazu, der sagt, dass im Grunde EKG und Ultraschall völlig ausreichen: https://www.youtube.com/watch?v=KGbuvyfaZlE

Hinterlasse eine Antwort zu Irina Antwort abbrechen